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HSK Sonntag gegen Solingen -
Unser Team wieder auf einem „Treppchenplatz“

Der vorgezogene Spielbeginn um 9 Uhr schockte unseren IM-Kandidaten Dirk Sebastian am allermeisten, und so weckten wir ihn denn auch noch vor 8 Uhr, damit er wenigstens eine kurze Dusche und einen schnellen Kaffee zu sich nehmen könnte. Doch während wir im Frühstücksraum alle Köstlichkeiten probierten, die es sonst zu Hause beim normalen Frühstück nicht alle Tage gibt, schlief Dirk wieder ein und bescherte so sich selbst und seinem Brettnachbarn Thies Heinemann ein paar Minusminuten. Sollten diese entscheidenden Einfluss auf den Wettkampf haben? Beide Teams hatten ihre Aufstellungen nicht verändert, und wir erwarteten einen völlig offenen und spannenden Wettkampf.

Einer der Vorteile des Mannschaftsführerdaseins in der Bundesliga ist, dass man sich während der Wettkämpfe gemütlich zu einem Käffchen mit den anderen Teamchefs und/oder Betreuern niederlassen kann. Und ich muss sagen, dass es an diesem Wochenende in Bremen besonders nett war mit den Teamchefs von Wattenscheid - Veit Kempen und Uli Wolf - und Solingen - Valentino Usein - und wie gewohnt natürlich auch mit den Werderanern Till Schelz-Brandenburg und Ingolf Meyer-Siebert. Mir gefällt ihr trocken-sarkastische Humor, ich habe viel gelacht!


Blick auf den Wettkampf Solingen - HSK

Die gute Grundstimmung war natürlich auch von unseren Ergebnissen geprägt, doch der Wettkampf gegen die SG Solingen begann durchaus schwierig für uns.

Die Solinger waren wieder mit einem deutsch-niederländischen Team angetreten, in dem sogar zahlenmäßig unsere sympathischen Nachbarn die Nase vorn hatten. Während sonst „Papa“ Predrag Nicolic seine Schützlinge einsammelt und an den deutschen Bundesliga-Spielort „karrt“, waren es diesmal für eine Autofuhre zu viele niederländische Nachwuchsstars, so dass Jan Werle und Sipke Ernst in Groningen den Bus nehmen mussten, nur Daniel Stellwagen und Jan Smeets fuhren mit dem Spitzenbrett nach Bremen.


GM Radek Wojtaszek (l.) gegen GM Predrag Nikolic

Oliver Reeh hatte mit den schwarzen Steinen eine schwere Aufgabe gegen Jan Smeets. Als er eine einzige Gelegenheit zum Ausgleich ausließ, wurde seine Stellung langsam, aber wirkungsvoll zerdrückt. Auch Lubomir Ftacnik hatte, ebenfalls in einem Sizilianer, Schwierigkeiten gegen Daniel Stellwagen. Eine offene Stellung mit viel Raum bot eher Platz für weiße Aktivitäten und zudem war die schwarze Rochade geschwächt. Lubomir ist überzeugt, dass er den möglichen Ausgleich verpasst hat, aber schließlich konnte der junge Niederländer in einem Schwerfigurenendspiel wunderschön einen Turm opfern und den schutzlosen König zur Strecke bringen - zum zweiten Weiß-Sieg der Solinger.

Foto oben: Daniel Stellwagen (vorne r.) und Lubomir Ftacnik analysieren, Jan Werle (r.) und Valentino Usein (stehend) reden miteinander und kiebitzen, unser Fan Manfred Kuhle aus Wiesenburg kiebitzt konzentriert.

Zuvor jedoch hatten wir den Ausgleich zum 1-1 mit einem Sieg von Karsten Müller am fünften Brett gegen Michael Hoffmann hergestellt: Karsten Müller täuschte erst einen ruhigen Italiener an, bevor er ins Schottische Gambit wechselte und in der Variante seiner Jugend den König von Michael Hoffmann im Zentrum festzementierte und für einen Bauern ziemlich viel Spiel und nebenbei auch klaren Zeitvorteil bekam. Folgerichtig lehnte er auch die Remisofferte ab, brachte seine Dame noch wirkungsvoller ins Spiel und gewann schließlich nach 26 Zügen.


Analyse des „scharfen Schotten“: Dr. Karsten Müller (vorne r.) und Michael Hoffmann

Lange Zeit glaubten wir auch am Spitzenbrett an einen Sieg unseres jungen Neuzuganges Radek Wojtaszek: Hier war eine scharfe Variante des angenommenen Damengambits auf dem Brett, lange wurde der Partie Karpow gegen Hübner aus 1993 gefolgt, die der Ex-Weltmeister gewann. Nikolic hatte auch schon gut anderthalb Stunden ins Geschäft gesteckt, und wieder einmal lagen die Hoffnungen der Hamburger auf Radek, der früh einer Zugwiederholung ausgewichen war. Doch auch einem 2600er auf dem Weg nach oben passiert auch mal ein Lapsus - und so übersah Radek im 35. Zug ein Matt in zwei Zügen, mit dessen Motiv er sieben Züge vorher schon einmal gedroht hatte. Wollte er auf die Zeitnot des Gegners spielen? In der Folge versuchte er noch alles, um aus der Stellung mit einer Qualität mehr den vollen Punkt herauszuquetschen, musste aber nach 63 Zügen in die Punkteteilung einwilligen.

Hier der Blackout von Radek Wojtaszek:

 Matt in zwei Zügen nach 35. Txc5 + bxc5 36. Txc5#


GM Robert Kempinski (l.) gegen GM Alexander Naumann


Jan Werle (M.) und Sune Berg Hansen (r.) - Dr. Karsten Müller ist ebenfalls dabei

In der Zeitnotphase kam es auch an den anderen Brettern zu weiteren entscheidenden Entwicklungen: Thies Heinemann lehnte am siebten Brett die Remisofferte von Christian Gabriel ab und entfaltete im Endspiel, aus einem Abtauschspanier entstanden, kreativ Druck, setzte seine Majorität am Königsflügel in Bewegung und sammelte schließlich mehrere Bauern und den ganzen Punkt ein. Sune Berg Hansen manövrierte sich gegen Jan Werle geschickt aus einer gedrückten Stellung heraus und gewann sogar einen Bauern. Zum Sieg allerdings reichte es nicht, aber auch das Remis brachte uns weiter, da es Robert Kempinski am dritten Brett gegen Alexander Naumann nach einem etwas dubiosen Qualitätsopfer gelungen war, seine Stellung zu halten und ein weiteres Remis zu sichern. Dramatisch ging es an Brett 8 zwischen Sipke Ernst und Dirk Sebastian zu. Sipke Ernst hat seit seinem herausragenden Resultat beim Europacup im letzten Jahr eine Stammplatzgarantie und auch in diesem Jahr schon wichtige Punkte gesammelt. Doch auch Dirk Sebastian spielt eine klasse Saison und hat seine letzte IM-Norm schon in der Tasche - trotzdem war er voller Respekt und wir blickten das ganze Mittelspiel über auch eher skeptisch auf die Stellung, die sich aus der Englischen Eröffnung ergeben hatte. Doch mit beginnender Zeitnot entschloss sich Sipke Ernst, Dirks nach c3 vorgedrungenen Springer unter Aufgabe des Läuferpaars zu entfernen, und dies war die Wende in der Partie. Auf c3 entstand ein Freibauer und mit wenig Zeit auf der Uhr machte Sipke im 38. Zug mit einem Turmtausch den entscheidenden Fehler, der schließlich nach einem spannenden Wettkampf zum 4 ½ - 3 ½ für den HSK führte. In dieser Saison gehen die engen Wettkämpfe eher für als gegen uns aus - wir haben eben diesen schon viel zitierten Lauf …

Eva Maria Zickelbein
Fotos: Eva Maria Zickelbein

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