Willkommen in der Bundesliga! Neue Gesichter in Norderstedt

Bevor es zur sportlichen Berichterstattung kommt, halten wir schon einmal fest: Als Ausrichter haben sich die Aufsteiger von TuRa Harkheide sehr positiv präsentiert! "Mädchen-Schach kann alles" ist der Slogan mit dem die gute Seele des Vereins, Eberhard Schabel, das Projekt Frauenbundesliga angeht, und von den Räumlichkeiten, über die Verpflegung bis zur Live-Übertragung war für alles gesorgt. "Wir freuen uns, Hamburg als Reisepartner zu haben, so können wir am Ende der Saison die Deutsche Meisterschaft mitfeiern" begrüßte Eberhard uns in der neuen Saison etwas zu optimistisch, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Norderstedt (oder genauer der Stadtteil Harksheide) ist mittlerweile eine anerkannte Größe in der norddeutschen Schachwelt und daran hat "TuRa" einen kräftigen Anteil. Seit Jahren wird hier nachhaltig auf Jugend- und vor allem auf Mädchenschach gesetzt, zwei Deutsche Meistertitel mit den Teams stehen schon mal in der Vita und nun also die 1. Bundesliga.
Mit den Medaillenkandidatinnen aus Deizisau und Vizemeister Schwäbisch Hall kamen gleich zwei Hochkaräter auf "Hamburgs größten Parkplatz", wie Norderstedt früher einmal etwas abschätzig betitelt wurde. Für uns Hamburger die gleichen Gegner, die im letzten Jahr zum großen Saisonfinale nach Kiel gekommen waren und uns in die "Meistersuppe" gespuckt haben.
Zum Auftakt begrüßen wir neben unseren neuen Reisepartnern auch im eigenen Team einige neue Gesichter. Elisabeth Pähtz ist dabei mit Sicherheit die spektakulärste Verpflichtung, die uns gelungen ist. Alina Zahn ist zum Studium nach Hamburg gezogen und Stefanie Schulz hat schon vor zwei Jahren ihren Lebensmittelpunkt von Berlin nach Hamburg verlegt und ist nun auch schachlich endgültig umgezogen. Zur Erschwerung der Vorbereitung wurde ein Italiener geheiratet und dabei auch gleich der Nachname in "Scognamiglio" geändert ("einfach alle "g"s weglassen, dann hat man die Aussprache"). Beim Mannschaftstreffen am Freitag-Abend war bereits das gesamte Team anwesend, gemeinsames Abendessen im "Café Brooks" stand auf dem Programm, Bettina Blübaum und Jade Schmidt demonstrierten ebenso Teamspirit wie die "Fan-IMs" Jonathan Carlstedt, Merijn van Delft und Aljoscha Feuerstack.

1.Runde: Hamburger SK - SF Deizisau 3½ - 2½
Elisabeth Pähtz (2459) - Yulija Naiditsch (2405)   1 - 0
Monika Socko (2433) - Zoya Schleining (2351)   1 - 0
Sarah Hoolt (2371) - Elena Levushkina (2340)   0 - 1
Diana Baciu (2293) - Hanna Marie Klek (2326)   0 - 1
Alina Zahn (2060) - Mara Jelica (2099)   1 - 0
Stefanie Scognamiglio (2080) - Ingrid Lauterbach (2104)   ½ - ½
 
Bild 01

Deutlich aufregender schon die Partien an 5 + 6. Mara Jelica ging Alina mit dem guten alten Königsgambit scharf an und baute einen bedrohlichen Angriff auf. Aber Alina hielt dagegen, verteidigte sich präzise. Die erste Angriffswelle war kaum zurück geworfen, da begann Mara mit der nächsten Attacke, die aber schon deutlich übermotivierter war und wieder behielt Alina die Übersicht und konterte erfolgreich zum ersten Partiegewinn in der ersten Partie für Hamburg: HERZLICH WILLKOMMEN IM HSK!

Alina

In der Zwischenzeit hat Stefanie gegen Ingrid Lauterbachs kreative Eröffnungsbehandlung einigen Druck entwickelt, die aktiveren Figuren und sah sich zu diesem Figurenopfer motiviert:

Scognamiglio,Stefanie (2080) - Lauterbach,Ingrid (2104) [B06]
Frauen-Bundesliga 2016/17 Norderstedt (1.6), 22.10.2016
Diagramm 01

25.Sxg6!! Kxg6 26.Td6+ Le6 27.Dg4+ Kf7 28.Lxf5
[und es gibt sehr viele Fesselungen in dieser Stellung.]
28...Tg8 29.Dh5+ Kf6 30.Dxh6+ Kf7
[30...Kxf5 31.g4+ sieht sehr sehr gefährlich für Schwarz aus 31...Txg4+ 32.hxg4+ Kxg4] [mit wenig Zeit auf der Uhr und jeder Menge Figuren auf dem Brett ist es natürlich deutlich schwieriger, Entscheidungen zu fällen, als wenn man entspannt am nächsten Morgen mit Rechner-Unterstützung vor dem Bildschirm sitzt. Das Gefühl sagt einem, es sollte was gehen, aber erst der Rechner (oder extrem gute taktische Fähigkeiten) zeigt dies einem auch wirklich. Stefanie entschied sich für das Dauerschach und aus praktischer Sicht ist das mit Sicherheit auch richtig gewesen.]
31.Dh5+
[31.Lxe6+ Sxe6 32.Dh7+ soll glatt gewonnen sein. 32...Tg7 33.Df5+!+- wie gesagt, wenn man "weiß", dass etwas geht, dann ist es deutlich einfacher, solche Varianten zu finden, als wenn man es nur "ahnt". 33...Df6 (33...Ke8 34.Txe6; 33...Kg8 34.Txe6) 34.Td7+ Se7 35.Sd6+ gewinnt die schwarze Dame; 31.Td5 ist noch deutlich abgefahrener, sollte auch gewinnen, aber das ist dann was für die Maschinen... 31...Lxd5 32.Sd6+ und Schwarz muss die Dame geben 32...Dxd6 33.Dxd6 Le6 34.Lxe6+ Sxe6 35.Dd7+ Kf6 36.Dxb7, aber das ist Science-Fiction]
31...Kf6 32.Dh6+ Kf7 33.Dh5+ ½ - ½

Scognamiglio - Partie Lauterbach -
Beginn der Partie Scognamiglio - Lauterbach
 

2½-½, eigentlich alles im Lot, wenn nicht plötzlich zwei Bretter förmlich vom Tisch kippen...

KlekBaciu
Mannschaftsführerin Klek - Baciu
 
Baciu,Diana (2293) - Klek,Hanna Marie (2326) [C54]
Frauen-Bundesliga 2016/17 Norderstedt (1.6), 22.10.2016
Diagramm 02

36.f6!
[jetzt wird der schwarze König angegangen.]
36...f3
[und Schwarz denkt sich: "Was sie kann, kann ich schon lange." Allerdings scheinen die weißen Figuren für einen Königsangriff besser aufgestellt zu sein...]
37.fxg7+
[37.gxf3 wäre vielleicht sogar noch besser, weil Weiß sich mehr Optionen offen hält.]
37...Kg8 38.gxf3 Te2
[aus praktischer Sicht ziemlich gut, denn die 2.Reihe von Weiß sieht sehr anfällig aus.]
39.Lxh7+??
[Panik und Zeitnot sind eine ziemlich üble Kombination. Nun muss Schwarz einfach alle Figuren schlagen, die hingestellt werden und steht auf Gewinn.]
[39.Ld3! diese Figur hätte man lieber auf dem Brett behalten sollen. 39...Txb2 40.Te1 Kxg7 41.h6+ Kf8 42.Df6 droht ziemlich eklig Dg7# und Schwarz muss schon alles opfern, um dieses abzuwehren. 42...Txf2]
39...Kxh7 40.g8D+ Kxg8-+ [und kein weißer Angriff mehr, sondern nur Schwächen auf der 2. Reihe.]
41.Dg4+ Kf8 42.Dc8+ Ke7 43.Td1 Dxb2 44.Dxb7 Dxc3 45.b5 Dc5 0-1

und

Levushkina,Elena (2340) - Hoolt,Sarah (2371) [C41]
Frauen-Bundesliga 2016/17 Norderstedt (1.3), 22.10.2016
Diagramm 03

[auf gegnerische Zeitnot gezockt, wie Sarah nach der Partie ehrlich zugab, wanderte nun die schwarze Dame auf das falsche Feld]
34...Dd7? 35.g4+-
[und plötzlich ist eine Figur weg.]
35...e4 36.gxf5 exf3 37.Txf3 Sxf5 38.Lh3 Dg7 39.Lxf5 Txf5 40.Txf5 gxf5 41.Dd2 1-0

Ausgleich und nur noch das Spitzenbrett läuft. Mit Schwarz hatte Elisabeth relativ zügig ausgeglichen und nach gut 15 Zügen bereits das Kommando übernommen:

 
Naiditsch,Yuliya (2405) - Pähtz,Elisabeth (2459) [B10]
Frauen-Bundesliga 2016/17 Norderstedt (1.1), 22.10.2016

1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Se4 5.Se2 Db6 6.d4 e6 7.Sfg1 f6 8.f3 Sg5 9.exf6 gxf6 10.f4 Sf7 11.Sf3 Le7 12.Sg3 Sd7 13.Sh5 Tg8 14.Ld3 Sf8 15.De2 Ld7 16.f5 0-0-0
["Sie sollte auf e6 tauschen, dann ist alles in Ordnung. Aber als sie mir den f-Bauern schenkt, dachte ich, jetzt läuft's."]
17.Lf4 Te8 18.0-0-0 exf5 19.c3 Sg6 20.Dc2 Sxf4 21.Sxf4 Sd6 22.Sh4 Se4 23.Tdf1 Lf8 24.Kb1 Lh6 25.g3 Te7 26.Ka1 Tge8 27.Sfg2 f4 28.Sxf4 Lxf4 29.gxf4 Dc7 30.Dg2 Dd6 31.Thg1 a5 32.Lc2 Kb8 33.Ld1 c5 34.Lh5 Tc8 35.Sf3 a4 36.dxc5 Dxc5 37.Sd4 a3 38.Tc1 axb2+ 39.Dxb2 Sxc3 40.Sb3 Db6 41.Th1 Te3 42.Thg1 Lf5

Diagramm 04

[Schwarz hat ihren Vorteil mustergültig ausgebaut und wieder spürt man (frau), dass es mit Weiß zu Ende gehen "muss". Aber wie? Elisabeth investierte einen guten Schuss Bedenkzeit in dieser Phase, war aber rückblickend alles andere als zufrieden.
"There is nothing, what I played, was bullshit." war der knappe Kommentar nach der Partie zu Monika.]
43.Lg4 Lxg4 44.Txg4 Te2 45.Tc2 Txc2
[ist auch nicht schlecht, aber Weiß lebt noch ein wenig]
[45...Df2! und der Rechner springt vor Freude im Quadrat... 46.Txe2 Df1+ 47.Dc1 (47.Sc1 Sxe2) 47...Dxe2 und a2 ist matt und der Turm g4 hängt.]
46.Dxc2 Sa4 47.Dd2 f5 48.Tg2 Df6+ 49.Kb1 De6 50.Tg1 De4+ 51.Ka1 Dc2 52.Td1 Tc4
["Ich habe einfach nichts gefunden, unglaublich. Ich stehe so gut und immer gibt es noch einen Zug für sie! Ich dachte schon, ich hätte es komplett verzockt und das Springer-Endspiel sollte Remis sein, aber zum Glück war ihre Zeit auch knapp, dann gibt es immer noch Chancen.]
53.Dxc2 Txc2 54.Td2 Txd2 55.Sxd2
[Vielleicht ein Endspiel für Dr. Karsten Müller?
Reicht der Mehrbauer oder gelingt es Weiß ausreichend Bauern zu tauschen?]
55...Sc3 56.Sf3 Se2 57.Sh4 Sxf4 58.Sxf5 Kc7 59.Kb2 Kc6 60.Kc3 Se6 61.h4 Kc5 62.Se7 d4+ 63.Kd3 Kd6 64.Sc8+ Ke5 65.Sb6 Sf4+ 66.Kd2 h5 67.Sd7+ Kf5 68.a4 Kg4

Diagramm 05

69.Se5+?
[sicherlich die letzte Chance auf Rettung war 69.Sc5. Wenn, dann muss sie versuchen Gegenspiel mit dem a-Freibauern zu kriegen. 69...b6 70.Sd7 Sd5! und dann sollte es auch gewonnen sein, aber Schwarz muss noch aufpassen. (70...Kxh4? 71.Sxb6 und nun sollten die weißen Rettungschancen durchaus Realität werden.) ]
69...Kxh4 70.Sf3+ Kg4 71.Sxd4 h4-+
[und es wird sich mal wieder bewahrheiten, dass Springer denkbar ungeeignet sind im Kampf gegen Randbauern.]
72.Ke3 h3 73.Sf3 Kg3 74.a5 Sd5+ 75.Ke2 Se7 76.Sd2 Kg2 77.Sf1 Sc6 78.Se3+ Kg1 79.Sg4 h2 80.Sxh2 Kxh2 81.Kd3 Sxa5 82.Kd4 Sc6+ 83.Kc5 Sd8 0-1

Wow! Was für eine Energieleistung von Elli, die sich seit einigen Tagen mit gesundheitlichen Problemen durchschleppte.

Da schmeckt das Gyros beim Griechen um die Ecke gleich noch mal so gut, die Pflicht ist erfüllt. Mal sehen, was der Sonntag bringt gegen Schwäbisch Hall, die beim 6-0 gegen wacker kämpfende Harksheiderinnen keine Zweifel aufkommen ließen.

Teamchef
Ein zufriedener Teamchef)
Hier können die Partien nachgespielt werden
Text: Andreas Albers
Fotos:Eberhard Schabel

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