HSK
Top-Schachtraining
Theoretische Endspiele
Ein Seminar mit GM Karsten Müller
Der für den Hamburger SK in der Bundesliga spielende und international als Endspielexperte anerkannte Großmeister Karsten Müller gab am 27. / 28. November 2010, elf Teilnehmern ab 1900 DWZ, ein anspruchvolles Seminar zum Thema "Theoretische Endspiele" |
Wenn
im Spiel der Könige Monarchen im Dreieck springen und Mathematiker
aufgrund wandernder Quadrate zu verzweifeln drohen, wenn Bauern rennen, noch so
gewieft erbaute Verteidigungswälle durchbrechen und Festungen
erstürmt werden, und wenn von unnahbaren
"Rühr-mich-nicht-an"-Feldern die Rede ist, dann kann es sich nur
um Endspiele handeln.
So gab einer der weltweit führenden Endspielexperten, der Hamburger
Karsten Müller, den teilnehmenden Gerd Joppe, Johann Sander, Raimund
Klein, Stephan Kappus, Bernhard Jürgens, Jonas Lampert, Andreas Sass, Jade
Schmidt, Andreas Albers, Michael Lucas und dem Berichterstatter einen
theoretischen Abriss über die für den Turnierspieler in der Praxis
wichtigsten Endspieltypen. An Samstag und Sonntag wurden von 10Uhr bis 18 Uhr,
unter Einschiebung einer einstündigen Mittagspause, die Köpfe zum
Rauchen gebracht.
Den elementaren Sockel des Seminars bildeten grundlegende Bauernendspiele, die
in der Partie optimalerweise vor einem Generalabtausch in besagtes Endspiel
präzise berechnet werden sollten, da im Bauernendspiel oftmals einzige
Züge von beiden Seiten zu spielen sind: Ein Balanceakt auf der schmalen,
aber scharfen Klinge, die in vielen Fällen dann nur Sieg oder Niederlage
kennt.
Dabei halfen im abschließenden Test zu diesem Themenkomplex die
vermittelten Regeln: Das Quadrat des Bauern, die Bährsche Regel,
(virtuelle) Opposition, Schlüsselfelder und korrespondierende Felder.
Den größten Teil des Seminars nahmen die vom Referenten be- und
geliebten Turmendspiele ein. Ob simple Gewinnführungen mit ein oder zwei
Mehrbauern oder die elementaren Remisverteidigungen nach Philidor, Karstedt,
Tarrasch oder die Verteidigung auf der letzten Reihe: Alles wichtige
Rüstzeug für den ambitionierten und aufstrebenden Turnierspieler
wurden vertiefend angesprochen
![]() |
Das unten stehende Diagramm ist für den Turnierspieler wichtig: Wer kennt eine solche Stellung mit beiden Farben nicht. Die Gewinn- bzw. Remisideen beider Seiten zu kennen, ist dabei ungemein wichtig. Schwarz remisiert bsp. gelassen nach 1...Ta4! 2.Kd3 Kf6 (mit der Idee ...Ke6, f6, Kf5 und g5 nebst ausreichendem Gegenspiel). Spielt Schwarz jedoch 1...Kf6?, so kann Weiß mit guter Technik und Endspielwissen mit 2.Kd4! laut Mark Dworetzki gewinnen. ![]() |
Turmendspiele sind Endspiele, die immer
remis sein sollten, aber oft verloren werden
Zitat von Karsten
Müller
Kantorovich und dessen Ausnahmen schlug die Teilnehmer und insbesondere den
Berichterstatter in den Bann (siehe Diagramm rechts oben). Wie viel man doch
mit guter Endspieltechnik und einem grundlegenden Wissen erreichen kann! Und
halbe Punkte summieren sich in jeder Turniertabelle nunmal auf.
Ebenso wurde auf vielfachen Wunsch die Verteidigung des theoretisch remisen,
aber für den Verteidiger oftmals unangenehmen Endspiels Turm vs.
Turm+Läufer behandelt. Dass die Vitalität der Verteidigung auf der
zweiten Reihe mittlerweile dank Tablebases bestätigt ist, zeigte
kürzlich im Londoner Super-GM-Turnier der Engländer Luke McShane, der
die fünfzig Züge gegen den begnadeten Techniker Vladimir Kramnik dank
dieser Technik ohne Schaden überstand.
Insgesamt bleibt also ein Wochenende festzuhalten, das trotz des eher trocken
klingenden Titels allen Teilnehmer viel Spaß gemacht und neue Einblicke
in die Behandlung eines wichtigen Spielabschnitts gebracht hat. Gerade die
humorvolle, aber fachlich einwandfreie Vorstellung anschaulichen Materials
durch Karsten Müller selbst machten das Wochenendseminar für alle
Teilnehmer zum großen Erfolg - wer kann sich nun nicht etwas sicherer
fühlen, wenn es darum geht, in die berüchtigten Turmendspiele
abzuwickeln?
Und wäre allein dies nicht genug, so regnete es für jeden Teilnehmer
zum Ende der Veranstaltung noch ein Geschenk in Form einer von Karsten
Müller oder Alexei Shirov stammenden, hochwertigen und amüsant
gestalteten Endspiel-DVD aus dem Hause ChessBase! So gibt es keine Ausreden,
dass zu Hause nicht noch weiter gearbeitet werden kann.
Ich persönlich bewerte das Seminar für mich als großen Erfolg.
Obwohl ich mich selbst als "vergleichsweise sattelfest" einstufte,
gab es doch einige Aha-Erlebnisse, die unter Umständen mal einen halben
Punkt retten oder gar noch erkämpfen können. Und spätestens dann
gilt: "Turmendspiele sind die Endspiele, die immer remis sein sollten,
aber oft verloren werden."
Kevin Högy