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Meine ersten Wettkampfpartien

Jens Queißer berichtet folgend aus der E 1-Klasse von seinen Erfahrungen in seinem ersten Schachturnier, das er vor Thomas Wenzel gewonnen hat. Seine Einstiegs-DWZ von 1290 liegt sicher noch unter seinem im Training erworbenen Verständnis für das Spiel. Auch Thomas Wenzel hat als Zweiter seine DWZ um 22 Punkte gesteigert - ebenso wie Gabriele Remmert (22) und Liliana Knops (42). Zum ersten Mal dabei war Oliver Hemp als Gast, zum neuen Jahr ist er Mitglied geworden. Nur er hat dem Turniersieger eine Niederlage zugefügt, weil er sich energisch verteidigte, als ein Mattüberfall drohte (s. die Partie in Jens’ Bericht).

(Text: ChZ)

 

Etwa ein Jahr lang habe ich noch gezögert, mich auf „ernste“ Partien einzulassen, aber nun kann ich mich dem wohl kaum mehr entziehen. Womöglich bin ich jetzt auch mit diesem seltsamen Virus infiziert. Wie auch immer, für eine erste Standortbestimmung ist so ein Klubturnier sicher gut geeignet. Nach eigener Einschätzung befand ich mich irgendwo zwischen E- und D-Klasse. In D hätte ich vielleicht um jeden halben Punkt kämpfen müssen, dafür aber ohne Druck. In E dagegen musste ich den Anspruch haben, vorne mit dabei zu sein. Und das ohne „richtige“ Eröffnung, nicht wirklich Ahnung von Endspielen und vor allem ohne Spielpraxis. Aber einmal je Woche Training und die BL-Analysen sind auch einiges wert. Die größte Frage jedoch: Wie würde ich als bisheriger Anti-Sportler mit der Wettkampf-Situation zurechtkommen? Aber der Reihe nach. 1. Runde: Nun sollte also meine schachliche Karriere ihren Anfang nehmen - aber ohne Gegner? 2. Runde: Verschoben. 3. Runde: Jetzt ging’s also los. Meine erste Partie war dann auch eine dankbare Aufgabe, ungefährdeter Sieg durch großes materielles Übergewicht. Es folgte die verlegte 2. Runde, eine überaus chaotische Partie. Statt die schwarze Dame zu gewinnen, die sich dem Verlust durch Tausch auf e2 hätte entziehen können, wäre also mein Läufer auf b5 einem Bauern zum Opfer gefallen. Aber von alledem geschah nichts, worauf ich meine Figuren so schön aktiv und koordiniert entwickeln konnte, dass nur ein seelenloses Monster wie Fritz noch eine ausgeglichene Stellung erkennt. Dann ließ ich mich zu einem schönen, verwickelten aber leider völlig sinnlosen Abtausch von Figuren hinreißen. Als nächstes verschwanden auch noch die Türme, und übrig blieben Bauern auf beiden Flügeln sowie ein nahezu unbrauchbarer Läufer gegen Springer. Nach weiteren wechselseitigen Fehlern und total verlorener Stellung habe ich dann unverdienterweise doch noch gewonnen. Keine gute Partie, aber eine ungemein wichtige Erfahrung.

Dass es so etwas wie Gerechtigkeit im Schach gibt, musste ich leider in meiner nächsten Partie erfahren. 4. und 5. Runde: Spielfrei. 6. Runde: Beiderseits nur noch etwas mehr als 10 Minuten für 19 Züge, und eigentlich hatte ich die Sache im Griff. Statt des Gewinnzuges jedoch ging mein Turm zu unüberlegt auf die zweite Reihe, womit die Partie zum Remis und mit dem nächsten Zug unnötiger Weise völlig verdorben war. Verlieren, ja gut - aber doch nicht so! Die entscheidende Phase des Turniers. Von meinen bisherigen Leistungen kaum überzeugt, aufgrund des Spielplans und verschobener Partien in der Tabelle weit zurück, sollte es jetzt gegen die nominell stärksten der Gruppe gehen. Nun sind DWZ um 1100 sicher nicht furchterregend, aber: Etwas verunsichert konnte ich praktisch überhaupt nicht einschätzen, wie das für mich am Brett aussehen würde.
7. Runde: Irgendwie gelang es mir noch, vor meiner vierten Partie in eine positive Stimmung zu kommen, und dann hatte ich Glück. Da mein Gegner (mit Schwarz) kurzfristig seine Eröffnungswahl änderte, konnte ich etwas Spanisches spielen und brauchte mich nicht mit Sizilianisch auseinanderzusetzen. Dazu noch ein zu sorgloser Zug mit der Dame, mit deren Gewinn und folgendem Sieg ich plötzlich aus eigener Kraft Gruppensieger werden konnte.
8. Runde: Die sollte 4,5 Stunden dauern, jetzt wieder mit Schwarz. Mittels frühem Damentausch auf der weißen Grundreihe bekam ich die Partie nach und nach in Griff und gewann letztlich das lange Endspiel mit einem Bauern mehr und diesmal dem „richtigen“ Läufer gegen Springer. Meine letzten beiden Partien wurden - auf Wunsch meiner Gegner - in die Turnierpause vor der letzten Runde verlegt, auf Mittwoch u. Donnerstag. Also musste ich gleich zwei Tage hintereinander ran. Oder besser: Ich durfte. Schließlich hatte ich diese Woche Urlaub. Möglicherweise von Vorteil, unter diesen Umständen hätte ich in der sechsten Runde vielleicht auch nicht verloren. 9. Runde: Wieder ein frühzeitiger Damengewinn, mit Weiß gegen ein missglücktes Russisch.
Was noch fehlte, war die ausgefallene Partie der ersten Runde, die erste sollte also die letzte und zumindest für mich die entscheidende werden. Obwohl ich zuletzt von Runde zu Runde immer besser ins Spiel kam, stieg das Kribbeln vor dieser Partie doch wieder etwas an. Wer gewinnt schon gleich sein erstes Turnier? (Na gut, nur eine zugegeben nicht übermäßig starke Gruppe ... aber immerhin.) Es lief ganz gut, zum Schluss noch mal mit Schwarz. Mein gröbster taktischer Fehler wurde übersehen, und die weiteren passierten erst, als ich es mir leisten konnte. Wozu die Dame gewinnen, wenn’s auch der Turm sein kann: - Puh, geschafft! Es konnte zwar noch zu Punktgleichheit kommen, aber ich hatte in jedem Fall die bessere Feinwertung für mich. Abschließend bleibt mir noch festzustellen, dass sich praktische Turniererfahrung wohl kaum durch bloßes Training ersetzen lässt. Mal sehen, was ich dieses Jahr in der D-Klasse zustande bringe ...

Jens Queisser

 

Partie (pdf-Format)

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